Pictorial, die Fünfte, AD 2014

  • Ganz ehrlich, nachdem ich im Laufe der Jahre so viele Magazine gemacht habe, ist es doch immer eine Erleichterung, wenn wieder ein Heft in der Druckerei ist. Bis ich mich dann frage: Was hast Du darin eigentlich gemacht? Oder auch nur erlaubt?

    Gerd Ludwig. Der in den USA lebende deutsche Fotograf Gerd Ludwig bekommt ja im September 2014 den Dr. Erich Salomon-Preis der DGPh überreicht. In dem Gespräch mit Lars Bauernschmitt spricht er über Dokumentarfotografie im Unterschied zu kurzfristigem Fotojournalismus, das Gespräch gleitet ab bis hin zu Fragen der Wahrheit und ob die Kamera ein Schutzschild für den Fotografen sein dürfe. Gerd Ludwig kommentiert zudem einige seiner wichtigsten Bilder, erzählt ihre Entstehungsgeschichte: Wie kam es zum “Pfarrer von Brockdorf”, zu ”Stalin mit der roten Augenbinde”, zu seinem legendären “Putin-Portrait”?

    Das (bisher) erste Interview in der Pictorial, bei dem sich Interviewer und Interviewter duzen (dürfen). Was Wunder, die beiden kennen sich lange. Professor Bauernschmitt war weiland Volontär bei Gerd Ludwig. Die alte Vertrautheit spürt man.

    Dann: Wie findet man die Ataraxia? Das alte Ideal der griechischen Philosophen, die „Seelenruhe“, wie stellt sie sich ein? Ute Jansing stellt die Fragen: Was macht Bilder ruhig, so dass sie Frieden ausströmen? Wie und wo können ruhige Bilder effektiv eingesetzt werden? Ich fand das Thema deshalb interessant, weil in unserer Medienlandschaft Bilder ja durchgehend „laut“ sein sollen, nach Aufmerksamkeit schreien müssen. Die Frage nach der Inszenierung des Gegenteils, „was macht ruhige Bilder aus?“, empfand ich thematisch als sehr ungewöhnlich!

    Sworn Virgins. Auf immer Jungfrau aufgrund eines Schwurs! Na, Genderforschung liegt mir persönlich eher fern, aber die sozial akzeptierte Entscheidung, dass Frauen ihr Geschlecht wechseln dürfen, „zum Mann werden“, in der archaischen Gesellschaft der abgelegenen albanischen Berge, die der Bildband Sworn Virgins darlegt, hat mich als soziales Phänomen erstaunt und bewegt. Jasmin Seck stellt eine einfühlsame Besprechung des Bildbandes vor. Für mich – und wohl die Meisten von uns – erstmal eine fremde Welt in einem fremden Gebirge. Erschlossen von der Fotografin Pepa Hristova.

    Der zweite Bildband liegt mir nicht! Ich kann mich nicht entscheiden. Sind es nun erlaubte  - oder gar forcierte - Propaganda-Aufnahmen des BND, des Bundesnachrichtendienstes? Oder hintergründige Bilder und subtile Entlarvungen, die der Fotograf Martin Schlüter mit „Nachts schlafen die Spione“ in der verlassenen Geheimdienstzentrale in Pullach „geschossen“ hat? Dafür plädierte die Autorin der Rezension, Barbara Hartmann. Verlassene Räume, die den Resopal-Charme der Achtziger atmen, Büros gepflastert mit Elvis Presley-Plakaten, harmlos wirkende Technik aus der Zeit des Schneider Power PC. Ganz ehrlich, ich weiß es nicht einzuordnen. Ich weiß nur, der „richtige“ Geheimdienst ist längst weitergezogen nach Berlin. Dort, wo auch der NSA operiert…

    Die Bildagentur Okapia wurde Sechzig. Schon lange wollte ich ein Interview mit Christian Grzimek, dem Kopf hinter Okapia, machen. Die Gelegenheit. Wir sprachen über seinen Großvater/Adoptivvater Bernhard Grzimek, seine Jugend als „Promikind“. Über die Party- Gepflogenheiten der Siebzigerjahre, den Wandel der Bildsprache in der Naturfotografie. Und über vergessene fotografische Altbestände, ungehobene Schätze im analogen Archiv der Agentur. „Ein Problem“, so Grzimek, „das ich wohl meinen Enkeln vererben werde“.  Auch der aktuell abgedrehte Kinofilm über seine Familie ist Thema. Ist Ulrich Tukur wirklich die ideale Verkörperung von Bernhard Grzimek?

    Was fehlt? Klaus Plaumanns Rundumschlag! RM vs. RF.

    Zuvor: Um das Titelbild nicht total zu zerstören, habe ich mich für die etwas apogryph wirkende Headline „RM vs. RF“ entschieden. Der eigentliche Titel „Microstock oder Macrostock. Wer überlebt den Konkurrenzkampf?“ hätte das Gesicht des Mädchens – übrigens ein RF-Bild von Shutterstock – einfach total zerhackt. Aber das „Mädel“ hat mir von der Ausstrahlung her halt so gefallen, ich wollte es unbedingt auf dem Herbst-Cover haben.

    Der deshalb etwas unschön angekündigte Artikel basiert auf Einschätzungen eines langjährigen Branchenkenners, auf Erkundigungen, die Klaus Plaumann bei wichtigen und weniger bekannten Teilnehmern der Bild-Szene eingeholt hat: bei Agentur-Kapitänen, aber auch bei Fotografen – mit einem Seitenblick auf die Generation Smartphone.

    Den Rest kennen Sie ja von der Pictorial: Aktuelle Branchenmeldungen über den Bildmarkt, Artikel über Rechtsfragen („Spot mit pinkelndem Baby ist unlauter“), Events…

    Das Heft wird Ende des Monats auf Ihren Schreibtischen liegen. Ich gehe jetzt erst mal für 10 Tage in den Urlaub. Es wird also kurzfristig mal still werden auf der Website hier.

    Bis dann,

    Dr. Stefan Hartmann

    P.S. Weil wir gerade so nett am Plaudern sind: Leid tut mir, dass es einige Artikel aus Platzgründen nicht ins Heft geschafft haben: Hendrik Neubauers Bericht über die Eröffnung des Photobook Museum unter der Regie von Markus Schaden (steht gekürzt online), die Vorstellung der Sammlung des längst vergessenen Kölner Fotografen Jakob Volk durch Alexander Wittmann, meine eigene Laudatio zu 175 Jahre Fotografie und der Meilensteine ihrer Markt-Entwicklung seitdem.

    Man hat eben immer – die Meßlatte sind die Anzeigenumsätze - einige Seiten im Magazin zu wenig. Aber es gibt für einiges an Bildern und Buchstaben ja ein nächstes Heft. Die Pictorial 6-2014.

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