„MERz.Monstrum“ - Von Monstern im Dada-Gebrauch

  • von Hendrik Neubauer

    In „MERz.Monstrum“ – Foto-Collage-Cutup-Roman“ kommt einiges zusammen. Der Kieler Autor ögyr aka Jörg Meyer hat nach 1989 in Bild und Text die Wendezeiten zerschnippelt. Er zettelte eine Erzählung an, die das große Brabbeln der Umbruchszeit in harten Schnitten collagiert. Dabei die  zollt der Autor mit dem Vorsatz „MERz“ Kurt Schwitters Respekt.

    Und steht man vor den 73 Originalcollagen von ögyr, die bis zum 22. Juli im Kieler Antiquariat DIDEROT ausgestellt werden, springt den Betrachter sofort der „Monteur“ John Heartfield an.

    Der Autor ögyr sieht sich selbst mit „MERz.Monstrum“ in der, bewusst epigonalen, Tradition von DADA, Kurt Schwitters und John Heartfield. Die Collagen hat er zwischen 1990 und 1993 – zunächst als noch „klassisch“ mit Schere und Klebstoff aus Fotomaterial von Illustrierten und Zeitungen - als „Comic-Collage“ montiert. Zeitgleich entstanden Cutup-Texte, die in die Collage eingearbeitet wurden. „Ich saß dann an meinem Amiga 2000 und versuchte die Texte auf passende Spalten zu bringen. Wenn das nicht klappte, dann erledigte ich das einfach handschriftlich“, erzählt der Autor.  Gerade diese Texteinträge per Hand geben den Blättern einen besonderen, fast anarchischen Charme.  Aus der Zeit heraus fielen die Arbeiten dann erst einmal in die Schublade.

    1999 – noch in den Frühzeiten des Internet – entwickelte ögyr aus diesem hier erstmals als Original-Collagen ausgestellten „Comic“ einen vielfach zwischen Bild-, Video- und Text-Collage verlinkten Hypertext auf seiner Website schwungkunst.de. Das Projekt war zu dieser Zeit ganz weit vorn und gewann im Dezember 2001 den mit 4000 DM dotierten 1. Preis des vom damaligen kulturnetz-sh.de ausgeschriebenen Wettbewerbs für künstlerische Multimedia-Projekte.

    Wenn ein Multi-Media-Projekt auf einmal wieder auf Collagenblätter reduziert an der Wand landet, mutet das nicht komisch an? „Überhaupt nicht, ich habe die Arbeit gesehen und wusste, sie muss bei mir hier an die Wand“, sagt die Buchhändlerin Jasmin Fritz, die Ausstellungen rund um das Thema Buch und Fotografie regelmäßig im ihrem Antiquariat Diderot Platz einräumt. „Dieses Monstrum will entdeckt werden und das Diderot sollte doch einen Beitrag zum 100. Geburtstag der Dada-Bewegung leisten“, sagt Fritz und lächelt verschmitzt.

    Die Arbeit stellt offensiv die großen und kleinen thematischen Sensationen aus der Presse der Wendezeit aus. Darunter schlummert das „MERz.Monstrum“.  „Als der ,Rosa Riese‘ in den Wendejahren als ,Die Bestie von Beelitz‘ durch die nicht blühenden, sondern menschlich verdorrenden Landschaften seine frauenmordende Spur zog, hatte ich den Stoff für meinen Comic-Roman: Wolfgang Schmidt heißt in ,MERz.Monstrum‘  Volker Merz“, beschreibt ögyr seine letztendliche Themenfindung. „ Das (...) begleitet mich also seit über 25 Jahren durch mein Schaffen. Es kündet in all seiner und meiner eigenen Verworfen- und Verworrenheit von der verzweifelten Sehnsucht nach etwas Gutem im Menschen – nach Liebe, nach persönlicher und Welt-Revolution, sei es auch nur in der Kunst. Ab- oder Vorgesang einer Utopie?“

    „MERz.Monstrum“ ist eine Hommage an Dada. Der Autor ögyr spielt mit dem Trivialen und  setzt seine spitzen bösen Bild-Pointen in der Tradition von Heartfield. Gepaart wird das Konstrukt von Texten, die in ihrer kalkulierten Naivitität, die Wendezeit als Konstrukt entlarven:  „Als ich dann mal so probeweise raus wankte, da stund dort ein Werwolf mit ziemlich grausigem Zähnegefletsch. Huj, dachte ich, das ist aber ein ganz schön monströses Monster.“

    Ausstellung: Bis 22.7.2016 im Antiquariat DIDEROT , Gutenbergstr. 5, 24116 Kiel.

    Öffnungszeiten: Mo, Di, Mi, Fr: 10-13 und 14-18 Uhr; jeden 1. Samstag im Monat: 10-14 Uhr; sowie nach telefonischer Vereinbarung. Die Original-Collagen stehen auch zum Verkauf.MERz3
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