FFm: SLOW – Ausstellungsprojekt von Freelens-Fotografen aus dem Rhein-Main-Gebiet

  • Hohe Geschwindigkeit, Dynamik, ist fotografisch ja eher leicht darzustellen. Aber Langsamkeit? Insofern ist das Motto „Slow“, unter dem sich die Freelens-Gruppe Rhein-Main-Gebiet zu einer Ausstellung in Frankfurt/Main zusammen gefunden hat, allemal eine ambitionierte Herausforderung. Auch für den Betrachter! Zumindest für mich.

    Die 21 Fotografen gehen das gemeinsame Thema – sowohl inhaltlich als auch bildsprachlich – sehr individuell-unterschiedlich an, reicht die Bandbreite doch vom Fotografiestudenten bis zum Freelens-Mitglied aus den Gründungsjahren. Von den Genres her: Fotojournalistisch, werbefotografisch, dokumentarisch, artifiziell-künstlerisch, selbst im Snap-Shot-Stil.

    Wobei mir auf den ersten Blick oftmals nicht klar ist, wie denn das Motto mit manch einzelnem Bild in Einklang zu bringen sei. Was ist daran „langsam“? Wie soll das hier transportiert werden?

    Aber: Gerade das macht ja Spaß! Denn den Bildern der Ausstellung beigestellt sind Schautafeln mit Erklärungstexten: die Gedanken, Absichten, Hoffnungen der Fotografen vor, während oder auch nach dem Fotografieren erläuternd. Fast schon gezwungen schaut der Besucher sich das Bild zweimal an: vor und nach der Lektüre.

    Lassen wir einfach mal einige Beispiele für sich selbst sprechen, doch zuvor schnell die Koordinaten der Schau: Haus am Dom, Frankfurt, 12.11. – 7.12.2016.





    Andreas Varnhorn (andreasvarnhorn.de): Fluidum, Frankfurt 2015

    BESCHREIBUNG 1888 wurde der „Centralbahnhof Frankfurt“ eröffnet und zählt heute mit täglich fast einer halben Million Reisenden zu den am stärksten frequentierten Bahnhöfen in Deutschland. ICE-Züge bestimmen das Erscheinungsbild der Bahnsteighalle und vereinen so Vergangenheit und Gegenwart. Dem Betrachter, der etwas Zeit hat, erscheint es so, als wenn die hunderte Meter langen Züge die Menschenmassen aus- und wieder einatmen, bis sich die Türen erneut schließen und die Fahrt weitergeht. Dieses Ein- und Ausatmen der Züge zu visualisieren, war die Bildidee. Entstanden ist dabei auch etwas Metamorphisches. Die Reisenden verlieren durch die Langzeitbelichtung ihre Gestalt, werden schemenhaft und zerfließen zu einem Ganzen.

    WARUM SLOW? Weil nicht die hektische Betriebsamkeit an einem Bahnhof im Bruchteil einer Sekunde festgehalten wird, sondern weil der Bahnsteig zu einem Flussbett für die Passagiere wird, Passagiere, die zu einem gemeinsamen Fluidum werden. Zu einer ruhigen, fließenden Bewegung.






    Alexandra Vosding (alexandra-vosding.de): Säkularisierung, Istanbul 2015

    BESCHREIBUNG Ein kleines Ladengeschäft für iPhones hat die Jalousien heruntergelassen: Kommunikationspunkt geschlossen. Kadıköy/İstanbul – Asya, Türkei – 3. Mai 2015 (Noktar = Punkt, Iletisim = Kontakt, Kommunikation)

    WARUM SLOW? »Die Säkularisierung, abgeleitet von saeculum (lat. Zeit, Zeitalter; auch: Jahrhundert), bedeutet allgemein jede Form von Verweltlichung, im engeren Sinne aber die durch den Humanismus und die Aufklärung ausgelösten Prozesse, welche die Bindungen an die Religion gelockert oder gelöst und die Fragen der Lebensführung dem Bereich der menschlichen Vernunft zugeordnet haben.« (Quelle: Wikipedia). Zum Zeitpunkt der Aufnahme spiegelt dieser geschlossene Kontaktpunkt ein vages Gefühl, Steve Jobs visionärer Blick scheint zur Wachsamkeit mahnend. Mittlerweile hat uns die Geschichte überholt.






    Oana Szekely (oanaszekely.com): Madonna im Traum, Frankfurt 2015

    BESCHREIBUNG Ich bin ein Kind in der Kirche. Es riecht stark nach Kerzenwachs und Weihrauch. Es herrscht eine mystische Atmosphäre. Unglaublich wie die Ikonen bewundert, angehimmelt und verehrt werden. Aber, warum schauen sie so traurig und leidend? Keine lächelt. Sie sind unheimlich. Ich will nicht da sein und renne weg, weil sie mir irgendwie Angst machen. Ich möchte schnell nach Hause, aber ich kann nicht rennen. Ich will schnell sein, aber ich komme nicht vorwärts. Plötzlich wache ich auf und bin erleichtert, dass es nur ein Traum war.

    WARUM SLOW? Als ich verstanden habe was die Madonnen wirklich bedeuten, habe ich mich entschlossen meine eigenen Madonnen zu produzieren. Mein Wunsch war es, diese Religion und Tradition die ich als Kind erlebte zu bewahren, weil vieles davon in der heutigen Zeit langsam verloren geht.

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