Deutscher Bildermarkt: Immer mehr von allem – aber wie lange noch?




  • Foto: Lennart Marian Woock

    Vor einigen Tagen publizierten wir hier die Pressemeldung des BVPA zu den Bildermarkt-Trends 2019. Damals kündigten wir ein Gespräch mit dem wissenschaftlichen Leiter der Untersuchung, Prof. Lars Bauernschmitt, an, um Hintergründe zur Befragung und den Ergebnissen zu erfahren.

    Mit Lars Bauernschmitt (Bild links) sprach Stefan Hartmann (Bild rechts).


    Pictorial: Erst vor knapp einem Jahr haben Sie die letzte Erhebung zum deutschen Bildermarkt durchgeführt – ist seitdem soviel passiert, dass kaum zwölf Monate später gleich die nächste Umfrage folgen musste?

    Lars Bauernschmitt: Passiert ist im letzten Jahr einiges, vor allem ging es dem Bundesverband professioneller Bildanbieter und mir aber darum, unsere Untersuchung des deutschen Bildermarktes aus dem letzten Jahr fortzusetzen und die damaligen Ergebnisse zu vertiefen und zu ergänzen. Mit Rücksicht auf die Befragten, vor allem um den zeitlichen Aufwand für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Rahmen zu halten, stellen wir in unseren Erhebungen immer nur ungefähr fünfundzwanzig Fragen. Deshalb behandeln wir jedes Mal immer nur bestimmte, verhältnismäßig eng gefasste Themenkomplexe. Während wir im letzten Jahr also nach Erlösarten, Erlösen in bestimmten Marktsegmenten und Honorarentwicklungen fragten, lag ein Schwerpunkt in diesem Jahr bei Fragen zu Strategien der Unternehmen und den persönlichen Perspektiven der Inhaberinnen und Inhaber.

    Pictorial: Wie war denn die Resonanz? Lässt sich die Branche in die Karten sehen?

    Bauernschmitt: Die Resonanz ist ausgesprochen positiv. Mit einer Antwortquote von über 30 Prozent bei den BVPA-Mitgliedern und fast 10 Prozent bei den ungefähr 270 Nicht-BVPA-Mitgliedern haben wir eine sehr gute Basis um wichtige Branchendaten zu errechnen. Während die Antwortquote bei den BVPA-Mitgliedern gegenüber dem Vorjahr gleich geblieben war, ist sie bei den Nicht-BVPA-Mitgliedern sogar noch angestiegen.

    Pictorial: Sie stellen gleich zu Beginn der Vorstellung Ihrer diesjährigen Ergebnisse fest, dass die Zahl der Bildagenturen abnimmt. Die Gretchen-Frage: Wie viele Bildagenturen gibt es eigentlich aktuell in Deutschland?

    Bauernschmitt: Wir gehen davon aus, dass zur Zeit am deutschen Bildermarkt 350 Bildagenturen oder bildagenturähnlich arbeitende Fotografinnen und Fotografen aktiv sind. Eine frühere Studie schätzte diese Zahl für das Jahr 2011 noch auf 407. Innerhalb von sieben Jahren hat sich die Menge der Agenturen also um 14 Prozent verringert.

    Pictorial: Wirklich? Bei aller Hochachtung vor empirischen Erhebungen, diese Zahl von 350 halte ich spontan für klar zu hoch gegriffen…

    Bauernschmitt: Dann will ich es weiter präzisieren! Zu beachten ist, dass das die Zahl der Agenturen und bildagenturähnlich arbeitenden Fotografinnen und Fotografen ist, die am Markt agieren. Zum einen müssen wir sehen, dass es sich dabei zwar auch um Unternehmen mit zum Teil 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern handelt, zum anderen aber eben auch um sehr viele Firmen, in denen nur die Inhaberinnen und Inhaber tätig sind. Wir haben es mittlerweile aber auch mit einigen Bildagenturen zu tun, die verkauft wurden und nun in der Hand von Inhabern sind, denen auch andere Unternehmen gehören. Damit liegt die Zahl der wichtigen Akteure also darunter.

    Pictorial: Das heißt, wir haben noch Agenturnamen als "Labels", die aber in der Hand immer weniger werdender Unternehmen konzentriert sind. Stärker noch als in Deutschland sehe ich das in Österreich und der Schweiz. Wird sich diese Entwicklung auch hierzulande weiter fortsetzen?

    Bauernschmitt: Ja, ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend auch in Deutschlandweiter fortsetzen wird. Es sind verschiedene Hinweise, die diese These stützen. Für die Zukunft sehe ich genau genommen drei Trends: Zunächst ist festzustellen, dass die Zahl der Neugründungen laufend abnimmt. Dann werden viele Firmen in den nächsten Jahren altersbedingt geschlossen. Ein wichtiger Hinweis dafür ist aus meiner Sicht das Alter der Inhaberinnen und Inhaber der Agenturen. Bei den BVPA-Mitgliedsagenturen sind 56,5 Prozent von ihnen älter als 50 Jahre, bei den Nicht-BVPA-Mitgliedern sind es sogar 80 Prozent, davon sind 11,4 Prozent sogar über 70 Jahre alt. Drittens werden Bildagenturen, das sind aus meiner Sicht aber nur wenige, von Unternehmen oder Personen übernommen, die bereits am Markt aktiv sind.

    Pictorial: Krass gesagt: Die Branche vergreist zunehmend! Die Alten werden älter, es kommen aber keine jungen Agenturleute mehr nach. Junge Menschen scheinen in dieser "Industry" keine Zukunft für sich zu sehen. Wie erklären Sie sich das? Die Umsätze der Agenturen wachsen doch weiterhin.

    Bauernschmitt: Das stimmt, die Umsätze wachsen weiter, aber eben nur gering. Die Agenturen müssen dafür aber auch immer mehr Bilder bewegen. Bedingt durch die technischen Entwicklungen hat sich das Angebot digitaler Bilder, und das sind die einzigen, die noch genutzt werden, in den Agenturen seit 2005 mehr als verachtfacht, ähnlich hat sich auch die Zahl der von den Agenturen vertretenen Partneragenturen entwickelt. Die Zahl der vertretenen Fotografinnen und Fotografen ist nicht ganz so stark angewachsen, nimmt aber eben auch ständig weiter zu.

    Pictorial: Bleiben wir noch ein bisschen beim Geldverdienen. Ich zitiere die Untersuchung: "70 Prozent der beteiligten Agenturen vertreiben kein Royalty free-Bildmaterial und planen dies auch für die Zukunft nicht." Darf ich daraus ableiten, dass zwei Drittel der deutschen Agenturen alternativlos an einem Business-Modell - traditional Rights managed - hängen, das aus dem letzten Jahrtausend stammt? Aus vordigitalen Zeiten.

    Bauernschmitt: Das klingt so, wie Sie es feststellen, sehr negativ, ich würde es etwas anders formulieren. Die Mehrzahl der deutschen Bildanbieter konzentriert sich zur Zeit auf das vertraute Kerngeschäft, das nach wie vor den Hauptumsatz macht und ist dort aktiv, wo man stark ist und Erfahrung hat. Es stimmt, das Rights managed-Modell stammt aus dem letzten Jahrtausend - als am Rande bemerkt auch die Royalty free-Modelle entwickelt wurden - die Frage ist aus meiner Sicht aber weniger, ob Bilder in Zukunft Rights managed oder Royalty free lizensiert werden, sondern ob die Lizenz für die Nutzung überhaupt noch das eigentliche Objekt des Geschäfts ist, oder ob das Geschäft mit Bildern und Bildrechten in Zukunft nicht auf einer ganz anderen Basis erfolgen wird als bisher.

    Pictorial: Ich bemerke eine große Ratlosigkeit in der Frage, wie das Ertrags- und Erlösmodell für Inhalte - also auch Bilder - in der näheren oder mittleren Zukunft aussehen kann. Ich werfe jetzt einfach mal wild Stichworte - ja, sie stammen aus dem amerikanischen Markt - wie Big Data oder Blockchain in die Runde. Die Amis diskutieren zumindest, wie daraus ein Business-Modell für Bildproduzenten werden könnte. Sehen Sie auf dem deutschen Markt ähnliche Diskussionen?

    Bauernschmitt: Es gibt Überlegungen, die aber, so wie ich das sehe, noch nicht wirklich breit diskutiert werden. Ich gehe aber davon aus, dass sich das Bilder-Business in den nächsten fünfzehn Jahren komplett verändern wird. Ich denke, dass klassische Lizensierungsmodelle an Bedeutung verlieren und andere Geschäftsmodelle an Bedeutung gewinnen werden. Es ist zwar noch zu früh, zu sagen, welche Modelle welche anderen Modelle ablösen werden, es lassen sich aber Entwicklungen feststellen, die den Markt verändern.

    Zunächst gewinnen Fotos in der Kommunikation weiter an Bedeutung. Dann wird die Menge produzierter Bilder weiterhin zunehmen, so wie auch die technische Qualität der Bilder ebenfalls weiter zunehmen wird. Daneben wird aber auch bei Publikum und Produzenten die Fähigkeit zur Reflektion, Rezeption und der Entwicklung themenadäquater Visualisierungen weiter wachsen. Bedingt durch die Digitalisierung nimmt die Zahl der Selfpublishing-Möglichkeiten weiter zu, womit auch die Beziehungen zwischen Medienproduzenten und den Publishern auf eine andere Basis gestellt werden.


    Pictorial: Kommen wir aus der Zukunft zurück zum Anfang unseres Gespräches. Kommt im nächsten Jahr die nächste Erhebung?

    Bauernschmitt: Das hoffe ich. Wie Sie sehen, gibt es eine Reihe von Veränderungen, die auf die Bildbranche zukommen. Es gibt somit eine Reihe von Fragen, die sich in allernächster Zukunft für alle Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer stellen, womit sich auch für mich eine Reihe von Themen ergeben, die in Zukunft untersucht werden sollten. Für mich stellt sich vor allem die Frage, wie sich die Beziehungen zwischen Fotografinnen und Fotografen, den Bilder vertreibenden Partnern sprich Agenturen und den Medien, die Inhalte publizieren, entwickeln werden. Da die Bedeutung der Bilder, wie schon gesagt, auch in Zukunft noch zunehmen wird, gehen mir die Themen nicht aus. Glücklicherweise hat der BVPA bereits sein Interesse an einer Fortsetzung unserer Kooperation formuliert, darüber hinaus gibt es aber auch in anderen Verbänden offensichtlich Interesse, das Feld, auf dem wir alle tätig sind, nach Möglichkeit gemeinsam zu untersuchen.

    Pictorial: Danke, dann bis ins nächste Jahr.

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