Offener Brief: Freelens erinnert Staatsministerin Grütters

  • Rasche und unbürokratische Unterstützung sollte es geben, versprach Staatsministerin Monika Grütters den Kulturschaffenden Mitte März, »koste es, was es wolle.« In einem offenen Brief erinnert Freelens-Geschäftsführer Lutz Fischmann sie an ihr Versprechen:

    Sehr geehrte Frau Grütters,

    das war eine gute Nachricht von Ihnen, die Sie am 11. März 2020 an die Kultur- und Medienschaffenden in Deutschland gerichtet haben. Sie wollten uns nicht im Stich lassen! Das fühlte sich warm an und es war gut zu wissen, dass man nicht allein ist in der Not. Wohl dem, der gute Freunde hat.

    Sie wollten helfen, kündigten Sie in einem FAZ-Interview am 30. März 2020 an, »die persönlichen Lebensumstände abzusichern«.

    Was seit Anfang März weggebrochen ist, sind quasi alle Aufträge und damit Einnahmen der Selbstständigen, die sie für ihren Lebensunterhalt benötigen. Und es ist jetzt schon abzusehen, dass dieser Zustand noch sehr, sehr lange anhalten wird. Schon heute kündigen z.B. Verlage, die selbst Staatshilfen beantragt haben, an, ab sofort die Honorare der freien Mitarbeiter*innen drastisch zu senken.

    Die Hilfen, die aus Bundesmitteln gespeist werden, dienen ausschließlich der Beseitigung von Liquiditätsengpässen für laufende betriebliche Ausgaben. Diese Ausgaben tätigen viele Selbstständige gar nicht in nennenswertem Umfang. Hunderttausende Einzelunternehmer*innen, die ihren Lebensunterhalt mit Dienstleistungen ohne eigene Betriebsräume bestreiten, dürfen demnach höchstens ihren Heimarbeitsplatz geltend machen, und auch das nur, wenn dieser bereits vorher steuerlich vermerkt war, was z.B. bei Fotograf*innen regelmäßig nicht der Fall ist.

    Um zu überleben, verweisen Sie regelmäßig auf die Grundsicherung. Die Erfahrungsberichte unserer Mitglieder, die versucht haben, die Grundsicherung zu beantragen, sprechen Bände – viele Selbstständige scheitern an hohen Hürden, Nachweispflichten und extrem langen Bearbeitungszeiten. Und sogar Wohngemeinschaften gelten als Bedarfsgemeinschaften, wenn sie eine gemeinsame Haushaltskasse haben – absurd.

    Bis zu 60.000 Euro »Vermögen« der Antragsteller*innen werden bei der Beantragung der Grundsicherung nicht angerechnet – wer mehr hat, bekommt keine Unterstützung. Selbst wer es also über viele Jahre geschafft hat, dem Rat aller Regierungen zu folgen und sich auch selbst um seine Altersvorsorge zu kümmern, musst jetzt, Ihrem Rat folgend, seine Altersversorgung anzapfen, um zu überleben.

    Und das dicke Ende kommt zum Schluss: Die Künstlersozialkasse, über die wir renten-, kranken- und pflegeversichert sind, bekäme kein Geld mehr überwiesen von der Bundesanstalt für Arbeit. Das ist ein weiterer Baustein der Altersarmut für einen Berufsstand, der eh schon dem Prekariat zuzurechnen ist.

    Ist das wirklich ein brauchbares Verfahren für Menschen, denen durch staatlich verordnete Maßnahmen ihre Existenzgrundlage entzogen wurde?

    Wir, die Kulturschaffenden, auf die diese Republik ja immer so stolz ist, erfahren zur Zeit schmerzlich, dass Kultur doch nur ein Luxus für gute Zeiten ist. Wenn wir ehrlich sind, wussten wir das schon immer…

    Was wir noch nicht wussten ist, dass Künstler*innen jetzt schon als Argument gegen Corona-Bonds herhalten müssen. »Wenn etwa auch Künstler mit Steuergeld gerettet werden sollten, werde man dies in Spanien und Italien vermerken und darauf verweisen, dass Deutschland offensichtlich über genug Geld verfüge«, so wird Angela Merkel in der FAZ vom 20. April 2020 wiedergegeben.

    Eine Unterstützung ist auch eine Wertschätzung – die erfahren die Kulturschaffenden gerade nicht.

    Sehr geehrte Frau Grütters, so ist das mit Versprechen – manchmal holen sie einen ein, und darum erinnere ich Sie an Ihr Versprechen, uns nicht im Stich zu lassen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Lutz Fischmann, FREELENS Geschäftsführer

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