Ein Gespräch zu "image market 2020 – structure and perspectives", Teil 2

  • Das erste Gespräch letzter Woche mit Lars Bauernschmitt orientierte sich vor allem am Schwerpunkt "Fotografenfragen". Nun soll der Focus der Fragen zur Bildmarkt-Analyse 2020 auf die Erkenntnis zu Bildagenturen gerichtet werden. Mit Lars Bauernschmitt sprach Stefan Hartmann.

    • Pictorial: Herr Professor, wollen wir die Situation der Bildagenturen etwas beleuchten? Denn das war ja bislang das Hauptthema Ihrer Untersuchungen. Was sind die Aspekte, in denen sich Neues gegenüber der früheren Erhebungen ergab?
    Lars Bauernschmitt: Etwas wirklich Neues haben wir in diesem Jahr nicht erfahren, wir sind mittlerweile vor allem dabei, unsere Erkenntnisse der Vorjahre zu vertiefen. Ein wichtiger Punkt, der wieder deutlich geworden ist, ist die extreme Heterogenität der Bildagenturen. 36 Prozent der Agenturen haben keine Mitarbeiter*innen. Über 21 Prozent haben lediglich ein bis zwei Mitarbeiter*innen. Wir sollten in der Darstellung des Bildermarktes also vielleicht genauer von Bildagenturen und bildagenturähnlich arbeitenden Fotograf*innen sprechen.

    • Pictorial: Was kann man dann über den "deutschen Bildmarkt" eigentlich noch ableiten, wenn man berücksichtigt - die Studie hat es ja gezeigt - dass die Player immer heterogener werden? Welche Erkenntnis kann man über einen Markt gewinnen, bei dem die Jahresumsätze der Unternehmen zwischen 50tausend und 10 Millionen Euro liegen?
    Lars Bauernschmitt: Es sind ganz unterschiedliche Tendenzen, die den Bildermarkt verändern. Zunächst werden immer mehr Bilder veröffentlicht, es werden aber eben auch immer mehr Bilder gemacht, die auch auf den Markt geworfen werden.

    In Deutschland werden, so schätze ich, mittlerweile zwischen 600 Millionen und einer Milliarde Bilder angeboten. Da sind natürlich viele Bilder mehrfach angeboten, trotzdem hat sich das Bildangebot seit 2010 mehr als verzehnfacht.

    Es ist wenig überraschend, dass das nicht gut für die Preise ist! Mit Nutzungsrechten Geld zu verdienen, wird immer schwerer. Das wird sich nicht mehr ändern. Eine Konsequenz ist, dass die Zahl der Bildagenturen ständig abnimmt. Achtzig Prozent der Inhaber*innen der nicht im BVPA vertretenen Agenturen sind älter als 50 Jahre, mehr als dreißig Prozent sind älter als sechzig Jahre – bei den BVPA-Agenturen sind das etwas weniger. Verkaufen kann man eine Bildagentur kaum. Interessante Bestände werden höchstens von anderen Agenturen übernommen – wie es ja schon jetzt immer wieder geschieht.

    Es gibt aber noch ganz andere Faktoren, die das Bildgeschäft verändern: Communities treten als Bildanbieter*innen auf und verschaffen dadurch den Amateur*innen Zugang zum Markt, den die vor zwanzig Jahren so nicht hatten. Das verändert die Situation professioneller Fotograf*innen ebenso wie die der Bildagenturen. Eine andere Entwicklung, die zu einem wachsenden Angebot an kostenlosen Bildern führt, sind Unternehmen und Verbände, die honorarfreies PR-Bildmaterial anbieten. Das gibt es alles schon lange, das sind aber auch Konsequenzen der Digitalisierung, das wird sich aber eben auch fortsetzen.

    • Pictorial: Zum Abschluss sei eines der für mich verblüffendsten Resultate der Befragung erwähnt. Sie fragten: "Unsere Kund*innen legen auf eine hohe Bildqualität ..." Und gerade mal etwas mehr als die Hälfte der Bildagenturen meinen, dass ihre Kunden "viel Wert" auf gute Bildqualität legen. 34,2 der Agenturen bescheinigen ihren Kunden, dass sie nur "wenig Wert" auf Bildqualität legen! 10 Prozent können keine Entscheidung formulieren.
    Lars Bauernschmitt: Sie sehen gerade nur auf den Durchschnitt aller Befragten. Sie müssen aber beachten, dass die BVPA-Mitgliedsagenturen den Wunsch der Kund*innen nach einer hohen Bildqualität deutlich anders wahrnehmen als die nicht im BVPA vertretenen Agenturen. Während nur 25 Prozent der BVPA-Agenturen der Meinung sind, dass ihre Kund*innen wenig Wert auf eine hohe Bildqualität legen, sind das bei den nicht im Verband vertretenen Agenturen 41,2 Prozent.

    • Pictorial: Sie haben nun drei Bildmarktstudien, drei großangelegte Befragungen in jeweils den letzten Jahren vorgestellt. Wird es weiter gehen? Werden neue Untersuchungen folgen?
    Lars Bauernschmitt: Ich denke, dass wir das tun sollten, denn mit jeder Studie stellen sich neue Fragen. Mit Blick auf die bereits formulierte Bedeutung journalistischer Medien für den Erhalt unserer Demokratie müssen uns die Bedingungen interessieren, unter denen Bildjournalismus gemacht wird, und ich möchte dazu beitragen, dafür ein Bewusstsein zu schaffen.

    Außerdem sollte ich als Lehrender mich auch zu Entwicklungen auf dem Markt äußern können, auf dem sich unsere Absolvent*innen später bewegen. Und nicht zuletzt ist es doch so, dass Bilder, die in kommerziellen Zusammenhängen publiziert werden, sichtbar sind, weil sie wirtschaftliche Prozesse durchlaufen haben. Was wir täglich in Print- und Onlinemedien sehen ist das Ergebnis der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Medien – und die sollten wir uns deshalb immer wieder genau ansehen. Denn Bilder werden zwar gehandelt, haben aber eben doch eine andere gesellschaftliche Bedeutung als Dosensuppen oder Weichspüler.

    • Pictorial: Bevor ich nun beginne, über die gesellschaftliche Bedeutung von Dosensuppen (inner- und außerhalb der Pop Art) nachzusinnen, möchte ich Ihnen herzlich für das Gespräch danken!

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