Lars Bauernschmitt: "Viele Bildagenturen beuten sich schon viel zu lange viel zu sehr aus“
Es ist inzwischen ja die fünfte Bildmarkterhebung, die Prof. Lars Bauernschmitt (Hochschule Hannover) – unter Mitarbeit von Maximilian von Lachner – gemeinsam mit dem Agenturenverband BVPA durchgeführt hat. So ergibt sich ein kontinuierlicher Langzeitüberblick über die ökonomische Situation der Bildagenturen und der agenturähnlich arbeitenden Fotografen.
Bis zu einem gewissen Grad herrscht allerdings eine statistische Ausnahme-Situation: Die Corona-Pandemie der beiden letzten Jahre greift in den Bildmarkt ein – gleichzeitig gab es staatliche Zuschüsse und Fördergelder für die Branche. Diese Ausnahmesituation „verunklart" die Erhebung und mindert dadurch die direkte Vergleichbarkeit zu früheren „vor-pandemischen" Untersuchungen.
Aber es ist ja mittlerweile eine Tradition, dass Prof. Bauernschmitt als Initiator und Leiter der Untersuchung mit Pictorial die eine oder andere Frage der Erhebung diskutiert und uns erläutert. Und natürlich denken wir am Ende der Gespräche gemeinsam immer auch über die nähere oder fernere Zukunft nach.
Mit Lars Bauernschmitt sprach Stefan Hartmann
Bauernschmitt: Sie haben Recht. Aus den Antworten von nur 16 teilnehmenden Agenturen kann man schwer Schlüsse ziehen. Glücklicherweise liegen uns nun ja schon Daten aus insgesamt fünf Jahren vor, sodass wir aus der Gesamtbetrachtung Entwicklungen erkennen und Rückschlüsse ziehen können.
Sie dürfen außerdem nicht vergessen, dass die Pandemie in eine Zeit fällt, in der der Strukturwandel den Bildermarkt und den Handel mit Bildnutzungsrechten komplett verändert und damit also gleichzeitig zwei sehr starke, aber komplett unterschiedliche Faktoren verändernd wirken. Wir müssen also versuchen, die finanzielle Situation differenziert zu betrachten. Deshalb noch einmal zurück zu den Coronahilfen. Während von den Bildagenturen, die sich in diesem Jahr an der Erhebung beteiligten im Jahr 2020 nur drei von dreizehn also 23,1 Prozent Coronahilfen in Anspruch nahmen, waren das 2021 vier von dreizehn also 30,8 Prozent. Tendenziell ist die Zahl also gestiegen, bleibt aber immer noch deutlich unter einem Drittel. Die weit überwiegende Mehrheit der Agenturen hat also gar keine Coronahilfen in Anspruch genommen. Unterstützt wurden durch Coronahilfen soweit wir das sehen, im Grunde genommen vor allem einzelne Fotograf:innen und eben keine Unternehmen.
Wir erleben seit längerem wie sich die großen und die kleinen Agenturen bezogen auf Umsatz und angebotene Bildmenge immer weiter auseinander bewegen. Die Corona-Pandemie hat die Entwicklungen nur beschleunigt, war aber auf keinen Fall ursächlich für diese Entwicklung.
Die Bilderflut dringt durch alle Ritzen – um mal ein maritimes Bild zu entwerfen. Auf der anderen Seite bieten die großen Agenturen eine immer größere Tiefe, bei immer mehr Themen. Gleichzeitig müssen Bildeinkäufer aber akzeptieren, dass sie einen Service auch bezahlen müssen. Wenn ich ein spezielles Angebot suche und sicher sein will, dass ein Bild auch das Gesuchte zeigt und korrekt betextet ist, muss ich dafür zahlen. Wenn Redaktionen oder Werbeagenturen glauben, dass sie für 30 Euro Honorar exzellent fotografierte, richtig verschlagwortete, von Fachleuten kuratierte und durch eine persönliche Betreuung für sie ausgewählte Bilder bekommen, sollten sie sich dringend noch einmal mit den Grundrechenarten beschäftigen. Ich kann von einer Bildagentur nur das erwarten, was ich auch zu bezahlen bereit bin. Viele Bildagenturen beuten sich schon viel zu lange viel zu sehr aus.
Es ist inzwischen ja die fünfte Bildmarkterhebung, die Prof. Lars Bauernschmitt (Hochschule Hannover) – unter Mitarbeit von Maximilian von Lachner – gemeinsam mit dem Agenturenverband BVPA durchgeführt hat. So ergibt sich ein kontinuierlicher Langzeitüberblick über die ökonomische Situation der Bildagenturen und der agenturähnlich arbeitenden Fotografen.
Bis zu einem gewissen Grad herrscht allerdings eine statistische Ausnahme-Situation: Die Corona-Pandemie der beiden letzten Jahre greift in den Bildmarkt ein – gleichzeitig gab es staatliche Zuschüsse und Fördergelder für die Branche. Diese Ausnahmesituation „verunklart" die Erhebung und mindert dadurch die direkte Vergleichbarkeit zu früheren „vor-pandemischen" Untersuchungen.
Aber es ist ja mittlerweile eine Tradition, dass Prof. Bauernschmitt als Initiator und Leiter der Untersuchung mit Pictorial die eine oder andere Frage der Erhebung diskutiert und uns erläutert. Und natürlich denken wir am Ende der Gespräche gemeinsam immer auch über die nähere oder fernere Zukunft nach.
Mit Lars Bauernschmitt sprach Stefan Hartmann
- Darf ich es gleich zu Beginn unverblümt ehrlich sagen? Ich fühle mich etwas ratlos: Es fällt mir diesmal sehr schwer, aus den Antworten der Erhebung 2022 ein geschlossenes Bild der Branche zu gewinnen! Können Sie helfen?
- Was war die besondere Situation der aktuellen Erhebung? Ihre Basis, die Zahl der teilnehmenden Agenturunternehmen, beispielsweise ist im Vergleich zu früheren Befragungen doch klar geschrumpft. Verliert die Bilderbranche das Interesse an sich selbst?
- Klar, die Untersuchung war anonym, niemand weiß es sicher! Aber die Analyse der Daten legt für die Zahlenmenschen unter den Branchenkennern eben doch nahe, dass die amerikanischen Big Player – Getty Images und Shutterstock – diesmal nicht teilgenommen haben. Oder – alternativ – die entsprechenden zentralen Fragen zu Bildbestand und Umsatz etc. nicht beantwortet haben.
- Wie bewerten Sie die staatlichen Corona-Hilfen der letzten beiden Jahre? Waren sie für die Agenturen tatsächlich hilfreich? Oder eher ein Tropfen auf den heißen Stein? Oder vielleicht gar ein Faktor der Insolvenzverschleppung?
Sie dürfen außerdem nicht vergessen, dass die Pandemie in eine Zeit fällt, in der der Strukturwandel den Bildermarkt und den Handel mit Bildnutzungsrechten komplett verändert und damit also gleichzeitig zwei sehr starke, aber komplett unterschiedliche Faktoren verändernd wirken. Wir müssen also versuchen, die finanzielle Situation differenziert zu betrachten. Deshalb noch einmal zurück zu den Coronahilfen. Während von den Bildagenturen, die sich in diesem Jahr an der Erhebung beteiligten im Jahr 2020 nur drei von dreizehn also 23,1 Prozent Coronahilfen in Anspruch nahmen, waren das 2021 vier von dreizehn also 30,8 Prozent. Tendenziell ist die Zahl also gestiegen, bleibt aber immer noch deutlich unter einem Drittel. Die weit überwiegende Mehrheit der Agenturen hat also gar keine Coronahilfen in Anspruch genommen. Unterstützt wurden durch Coronahilfen soweit wir das sehen, im Grunde genommen vor allem einzelne Fotograf:innen und eben keine Unternehmen.
Wir erleben seit längerem wie sich die großen und die kleinen Agenturen bezogen auf Umsatz und angebotene Bildmenge immer weiter auseinander bewegen. Die Corona-Pandemie hat die Entwicklungen nur beschleunigt, war aber auf keinen Fall ursächlich für diese Entwicklung.
- Bemerkenswert fand ich, dass das alte Rights Managed-Modell nach der Untersuchung in Deutschland auch weiterhin immer noch das dominierende Lizenz-Modell ist. Was meinen Sie: Weil es schlichtweg so erfolgreich ist – oder weil einem nichts Besseres einfällt?
- Zugegeben, das war sehr provokativ gefragt, denn immerhin zeigt Ihre Untersuchung auch, dass es in der Branche Bewegung gibt, dass zumindest zwei der antwortenden Agenturen auch eigene Lizenzierungsmodelle haben, jenseits von Rights Managed und Royalty Free / Microstock. Haben Sie eine Vorstellung, um was es dabei geht?
- Ein schnelles Wort zu Video? Vor Jahren erhoffte man sich, mit Bewegtbild ein zweites Standbein für die Bilderbranche entwickeln zu können. Es gibt ja durchaus Agenturen, die mit Footage handeln, aber welche Bedeutung hat Video auf dem Markt für Bildagenturen gewonnen? Ist es ein nennenswerter Faktor geworden?
- Frei gefragt: Welches der aktuellen Ergebnisse innerhalb image market 2022 hat Sie persönlich am meisten überrascht?
- In Ihrem Fazit zur Bildmarktuntersuchung formulieren Sie die These: „Bilder gewinnen weiter an Bedeutung. Dabei nimmt die Menge angebotener Bilder ständig weiter zu, während ihr Preis ständig sinkt." Was das Angebot der Breite der Bilder angeht, möchte ich gerne zustimmen. Aber was ist mit der Tiefe? Verlieren wir da nicht in gleichem Atemzug? Noch vor wenigen Jahren gab es kleine, oftmals leidenschaftlich geführte Spezialagenturen, die nur ein sehr schmales Themensegment abdeckten, dafür aber enorm in die Tiefe gingen. Nehmen wir etwa Hans-Peter Sifferts Weinweltphotos aus der Schweiz oder ArcticPhotos aus England. Deren Abdeckung ihres Themas in seiner Tiefe ist auf dem modernen Bildmarkt leider am Aussterben! Da bot die Vergangenheit mehr.
Die Bilderflut dringt durch alle Ritzen – um mal ein maritimes Bild zu entwerfen. Auf der anderen Seite bieten die großen Agenturen eine immer größere Tiefe, bei immer mehr Themen. Gleichzeitig müssen Bildeinkäufer aber akzeptieren, dass sie einen Service auch bezahlen müssen. Wenn ich ein spezielles Angebot suche und sicher sein will, dass ein Bild auch das Gesuchte zeigt und korrekt betextet ist, muss ich dafür zahlen. Wenn Redaktionen oder Werbeagenturen glauben, dass sie für 30 Euro Honorar exzellent fotografierte, richtig verschlagwortete, von Fachleuten kuratierte und durch eine persönliche Betreuung für sie ausgewählte Bilder bekommen, sollten sie sich dringend noch einmal mit den Grundrechenarten beschäftigen. Ich kann von einer Bildagentur nur das erwarten, was ich auch zu bezahlen bereit bin. Viele Bildagenturen beuten sich schon viel zu lange viel zu sehr aus.
- Wollen wir hier eine Zäsur machen – die Beschreibung der Gegenwart der Bilderbranche verlassen und uns in einem zweiten Gesprächsteil der Zukunft zuwenden? Etwa der Beschreibung gänzlich neuer Erlösmodelle für die Branche.
- Dann danke ich fürs Erste. Bis nächste Woche!
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