Lehrers Kinder und Pfarrers Vieh
gedeihen selten - oder nie!
Ob es diesen Lästervers in Jindřich Štreits Heimat, Tschechien, auch gibt, das weiß ich nicht. Aber ich weiß, das der, der den Pfarrer mit Federvieh fotografiert hat, selbst Lehrer ist. Ob er Kinder hat, weiß ich auch nicht.
Aber ich weiß, dass er ein außerordentlicher Dokumentarfotograf ist! Seine Aufnahmen aus den Dörfern Böhmens und Mährens haben etwas sehr unmittelbares, das den Betrachter sofort in die Geschichte hinein zieht.
In dem kleinen Dorf Sovinec war Štreit in den sechziger Jahren als Lehrer tätig. In seiner Freizeit streift er mit seiner Kamera durch die Umgebung und begreift sich in Ortschronist. Die Region damals ist geprägt von den Wirren und Beschädigungen der Weltkriege und einer nachfolgenden Diktatur. Dabei konnte der Kontrast der Aufnahmen Štreits zu den offiziellen ideologischen Darstellungen nicht gravierender sein. Eine Wertung der bestehenden Lebensverhältnisse war in seinen Bildern immer vorhanden und konnte von einem totalitären Staat nicht anders als Kritik verstanden werden. Das führte ab den 1980er Jahren zu einem Veröffentlichungsverbot in jeglicher Form, Festnahmen und ständigen Kontrollen durch die Staatsmacht.
So blieb Štreit, trotz permanenten Fotografierens bis zum Ende des Sozialismus in der Fotogeschichte ein fast Unbekannter. Heute aber zählen seine Bilder zu den Klassikern der Fotografie, sind in internationalen Sammlungen vertreten und werden weltweit in Ausstellungen gezeigt. In der Freelens Galerie zu Hamburg werden - vom 17. November 2022 bis 12. Januar 2023 - über 40 Arbeiten präsentiert.
Alter Steinweg 15, 20459 Hamburg
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