Die großen Weltausstellungen in London, New York, Paris. Und: Wien 1873. Die Bilder aus dem historischen Archiv der APA, die uns Gerald Piffl zusammen gestellt hat, sind immer eine inspirierende Zeitreise:
Eine Reise in eine Zeit, die von ihrer Mentalität doch so sehr unterschiedlich zur heutigen Gegenwart ist. Das Gefühl für Krisen und Verzagtheit, das existiert schlichtweg nicht. Die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts sind eine Ära des Optimismus, des unbedingten Glaubens an den technischen Fortschritt, die Wissenschaft, die Industrialisierung, an die künftige Lösbarkeit aller Probleme.
Wir alle kennen das Ende: Eine Epoche, die in völliger Ignoranz der "sozialen Frage", des durch die Industrialisierung erzeugten sozialen Elends, und des nationalistischen Chauvinismus dann "schlafwandlerisch" in den Ersten Weltkrieg taumelte. Dass wohl beste Symbol des Endes dieser Ära ist die "unsinkbare Titanic" (1912).
Aber Dr. Piffl entführt uns mit seinem Portfolio zur Wiener Weltausstellung zuerst in eine frühere Welt: "In die am 1. Mai 1873 eröffnete Weltausstellung legte man große Hoffnungen. Dafür wurden am Rande des Wurstelpraters der Industriepalast mit 800m langer Maschinenhalle, die zentrale Rotunde mit Platz für etwa 27.000 Menschen und darum herum etwa 200 Pavillons errichtet. Aussteller aus 35 Nationen zeigten ihre Erzeugnisse, die aber von nur sieben statt der prognostizierten 20 Millionen Besuchern gesehen wurden. Eine zeitgleiche Cholera-Epidemie in Wien und ein Börsencrash führten am Ende zu 15 Millionen Gulden Verlust.
Die Rotunde selbst wurde mit billigen Materialien errichtet, weil sie nach Ende der Weltausstellung wieder abgetragen werden sollte. Aufgrund des finanziellen Messerfolges fehlten dafür allerdings die Mittel."
Ein wenig erinnert diese Geschichte dann doch an die Weltausstellung 1889 in Paris. Dort war der Tour Eiffel ja auch nur als vorübergehende Demostration der architektonischen Möglichkeiten von Gußeisen und Stahlnieten gedacht, wurde dann aber nie wieder abgebaut. Ähnlich gewannen die Wiener im Laufe der Zeit die Rotunde lieb, nutzten sie - sie war eben schon mal da - dann einfach weiter für Großausstellungen und Feste.
Fotografiegeschichtlich bemerkenswert an diesem Bau ist, dass seine Entstehung detailliert fotografisch dokumentiert wurde. In der Summe sind so über 3.600 Fotos der Bautätigkeit, der Gebäude, der Länderpavillons und der Exponate entstanden. Dazu schlossen sich mehrere Wiener Fotografenateliers zur "Wiener Photographen Association" zusammen. Denn nur gemeinsam konnten sie die Forderung von 20.000 Gulden für das exklusive Vermarktungsrecht der Fotografien aufbringen. Die Motive wurden dann in Zeitungen, als Druckvorlagen verwendet und standen auch in einem eigenen Pavillon direkt zum Verkauf.
Wir sehen sie kostenlos unter picturedesk.com/bild-disp/sear…1c-4bd8-a3a2-70babd967289
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