Der Titel "Keine Sehnsucht nach Vergangenheit" einer Ausstellung einer Fotografin, die sich dezidiert und ausschließlich der analogen Fotografie verschrieben hat, könnte doch erst mal wie ein Widerspruch erscheinen. Doch Nicole Woischwill erklärt dazu ganz lakonisch-knapp: "Ich bin mit einer analogen Kamera geboren worden und habe sie seitdem nie aus der Hand gelegt." Und das ist gut so, denn anders hätten diese Motive nicht entstehen können.
Die Vergangenheit - auch im Sinne von Vergänglichkeit - ist das thematische Motiv der Berliner Ausstellung, die Klammer, die diese Bilder in zweifachem Sinne zusammenhält. Aber beginnen wir die Geschichte dieser Werke von vorne:
Vor vier Jahren, während der Pandemie, begann Nicole Woischwill fotografisch mit Schnee zu experimentieren. Einzelne Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus unterschiedlichen Zeiten, Städten, Sujets, neue und alte Fotos, legte sie in den Schneefall. Die Künstlerin fotografierte ihre Bilder dann ein zweites Mal. Beschneit und berahmt von den zufälligen Facetten gefrorenen Wassers: von zart puderzuckrig bis pappigschwer und hagelig. Wie die Schneekristalle eben von oben kamen. Schnee wurde damit zum natürlichen Filter für Fotos, die es eben schon gab: Tiere, Stillleben, Straßenszenen, Porträts und Gefiedertes aller Art. Schnee verhüllt für einen kurzen Moment. Dann schmilzt er. Hinterlässt Spuren der Vergänglichkeit. Die Fotografie hält einen ausgewählten Moment fest, der im nächsten Augenblick schon verloren ist. Eine Momentaufnahme. Jedes Foto der Serie ist so ein zweifacher Kunstgriff, ein doppelter Augenblick.
Ein Wort zur Fotografin? Nicole Woischwill (geb. 1976 in Ost-Berlin), Fotodesignerin, studierte Modefotografie bei Sybille Bergemann und war fünf Jahre Meisterschülerin von Arno Fischer. Sie war Mitbegründerin der Künstlergruppe „position4“ sowie der Galerie für zeitgenössische Fotografie „exp12 . exposure twelve“. Nicole Woischwill arbeitet mit den Schwerpunkten Portrait- sowie filmischer und experimenteller Fotografie.
Die Ausstellung läuft vom 12.10. bis 17.11.2024 in Berlin, in der Galerie im Kulturhaus Karlshorst (Treskowallee 112, 10318 Berlin)
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