Teil 1: Image Market – Business Trends 2025
Seit spätestens 2022 die Künstliche Intelligenz im Bildbereich an Bedeutung gewann, weil Möglichkeiten zur Erstellung künstlich generierter Bilder frei verfügbar wurden, bestimmt das Thema die öffentliche Diskussion.
Eine Erhebung, die die Arbeitsgruppe “image market – business trends” am Studiengang Visual Journalism and Documentary Photography der Hochschule Hannover unter Leitung von Prof. Lars Bauernschmitt zusammen mit dem BVPA durchführte, untersucht, wie und in welchem Umfang Bildagenturen in Deutschland Künstliche Intelligenz einsetzen, und wie sie diese Technik aktuell mit Blick auf den redaktionellen Alltag bewerten.
Die Ergebnisse der Erhebung werden auf dem PICTAday am 03. April 2025 in Hamburg vorgestellt. Aber – nach alter Sitte – gibt es auch ein ausführlicheres Gespräch zwischen Prof. Lars Bauernschmitt und Pictorial, das Hintergründe aufzeigt und die Resultate einordnet und bewertet.
Mit Lars Bauernschmitt (Bild links) sprach Stefan Hartmann (Bild rechts). Das Foto stammt von Lennart Marian Woock.
- Bevor wir in die Studie selbst einsteigen, darf ich Ihnen, als Professor für Fotografie, eine auf den ersten Blick seltsame Frage stellen: Was ist eigentlich ein KI-Bild? Und wo gibt es möglicherweise Diskussionsbedarf oder Zweifel bei der Zuordnung?
Prof. Lars Bauernschmitt: Fotografien sind Bilder, die mittels Licht erzeugt werden, das auf eine lichtempfindliche Schicht fällt. Um ganz genau zu sein, werden in der analogen Fotografie Silberhalogenide unter Einfluss der Belichtung und des anschließenden chemischen Prozesses in metallisches Silber reduziert, das dann schwarz erscheint. Bei digitalen Bildaufnahmetechniken werden Lichtwellen, die auf einen Sensor fallen, in digitale Signale gewandelt, die gespeichert, umgewandelt oder bearbeitet werden können. Während bei beiden Verfahren Objekte abgebildet werden, die sich vor dem Aufnahmegerät befinden, werden KI-generierte Bilder vollständig am Rechner erzeugt.
KI-generierte Bilder sind mittels einer Technologie erstellt, die Muster in großen Datensätzen erkennt und auf dieser Grundlage neue Inhalte erstellt. Während analog oder digital fotografierte Bilder zunächst subjektive Interpretationen einer vorgefundenen oder inszenierten Situation sind, handelt es sich bei KI-generierten Bildern immer um Produkte eines technischen Prozesses, in dem Bilder mittels verbaler Steuerung dieser Technik erzeugt werden.
Aber erlauben Sie mit noch eine Anmerkung zu meiner Tätigkeit. Fotografie steht schon lange nicht mehr im Mittelpunkt meiner Arbeit. Meine Lehr- und Forschungsgebiete sind das Visual Storytelling und die Entwicklung des Bildermarktes und der Publikationsbedingungen für Bilder. Der Lehrplan an unserem Studiengang Visual Journalism and Documentary Photography an der Hochschule Hannover, der ausdrücklich kein Fotografiestudiengang mehr ist, wurde seit zwanzig Jahren ständig den Entwicklungen der Medien im Allgemeinen und dem Bildjournalismus im Speziellen angepasst. Unser Lehrplan sieht heute völlig anders aus als in den Anfangsjahren, als ich an die Hochschule kam. Entsprechend hat sich auch meine Arbeit verändert.
- Ob Mittelpunkt oder nicht: Ich war mir sicher, Sie wissen trotzdem eine Antwort! Der Hintergrund meiner Bitte um Klärung ist natürlich auch die Frage nach der Auszeichnung, der Kenntlichmachung der KI-Bilder. Denn dafür ist eine Einigung bei Fotografen, Agenturen und auch Kunden in dieser Frage ja elementar. Es wird in der Diskussion immer vorausgesetzt, wir alle wüssten ganz genau, um was es dabei geht.
Prof. Lars Bauernschmitt: Eine möglichst breite Verständigung über Regeln zum Umgang mit Bildern, und nicht nur denen die künstlich erzeugt wurden, ist nicht nur wünschenswert, sondern zwingend notwendig. Es muss allen Interessierten möglich sein, auf einfache Art und Weise festzustellen, ob ein Bild klassisch fotografiert wurde, oder ob es mittels Künstlicher Intelligenz erzeugt wurde. Alle, die Bilder veröffentlichen, müssen wissen, wie die Bilder entstanden sind, und den Entstehungsprozess gegenüber den Betrachtenden deutlich machen. Wichtig ist aber auch, allen an der Prüfung Beteiligten ausreichend Zeit für die Prüfung zu geben. Wenn aus Kostengründen Personal in Redaktionen abgebaut wird, das zur Prüfung benötigt wird, gefährdet das auf jeden Fall bei den journalistischen Publikationen die Glaubwürdigkeit und damit deren ganzes Geschäftsmodell. Dabei ist es egal, ob die Prüfung wiederum mittels KI geschieht, oder andere Instrumente eingesetzt werden. Am Ende sollte ein Mensch entscheiden, ob und wie Bilder veröffentlicht werden, und welche Informationen die Betrachtenden dazu erhalten.
- Auffällig ist – und darauf weisen Sie ja selbst explizit hin – eine vergleichsweise geringe Teilnehmerzahl im Vergleich zu früheren Bildmarkt-Studien. Was könnten da die Gründe sein?
Prof. Lars Bauernschmitt: An unserer Erhebung unter den Bildanbieterinnen und Bildanbietern beteiligten sich 17 Unternehmen unterschiedlicher Größe. Von denen gaben neun an Mitglied im BVPA zu sein, 6 erklärten in keinem Verband Mitglied zu sein. Zwei gaben Mitgliedschaften in Freelens bzw. in DJV und dju in verdi an. Das wirkt auf den ersten Blick sehr überschaubar, spiegelt aber die Entwicklung der Bildbranche. Wir beobachten ja seit Jahren einen Rückgang der Zahl der Bildagenturen. Die Bilderbranche durchläuft seit über zwanzig Jahren einen Strukturwandel. Hatte der BVPA 2002 noch 120 Mitglieder davon 119 Bildagenturen, verringerte sich die Zahl im Zuge der Digitalisierung ganz kontinuierlich auf heute 58 Mitglieder, von denen nur noch 51 Bildagenturen sind. Damit haben sich aber in diesem Jahr fast 18 Prozent der BVPA-Mitglieder an unserer Untersuchung beteiligt. Das ist eine belastbare Basis. Bei der Gelegenheit möchte ich mich aber auch bei allen Agenturen bedanken, die sich an der Erhebung beteiligt haben.
- Die KI wird derzeit sowohl in der Bilderbranche als auch in der Öffentlichkeit so aufgeregt und emotional diskutiert, dass ich bei der Lektüre Ihrer Untersuchung wirklich sehr erstaunt war, dass weniger als 30 Prozent der teilnehmenden Agenturen überhaupt nur KI-Bilder anbieten. Im Umkehrschluss: An mehr als 70 Prozent geht das Thema hierzulande vorbei.
Prof. Bauernschmitt: Da muss ich Sie korrigieren. Das Thema geht an den Bildagenturen ganz und gar nicht vorbei, sondern beschäftigt die Agenturen im Gegenteil ganz massiv. Wir müssen aber unterscheiden, wozu Künstliche Intelligenz eingesetzt wird. Zwar bieten nur wenige Agenturen KI-generierte Bilder an, aber nur drei Agenturen nutzen keine KI-Tools. Alle anderen gaben bezüglich der verwendeten Werkzeuge jedoch die Verwendung ganz unterschiedlicher Tools an, von denen fast die Hälfte (43,8 %) sogar drei oder mehr Tools verwendet. Dabei werden diese Tools jedoch vor allem für manuell zeitaufwändige, die Bilderstellung ergänzende Tätigkeiten wie Bildbearbeitung, Bildbeschriftung/Verschlagwortung und Recherche eingesetzt. Hierfür nutzen mehr als ein Drittel der Befragten KI-Tools. Instrumente zur Erstellung von Bildern oder Texten setzen dagegen weniger als 20 Prozent der Befragten ein. Dabei wurde aber deutlich, dass die beteiligten Bildagenturen vor allem jene Tools nutzen, denen gegenüber eher geringe Bedenken bestehen. Dies sind die eben erwähnten Bildbearbeitung, Bildbeschriftung oder Recherche. Instrumente, denen gegenüber Bedenken bestehen, kommen deutlich seltener zum Einsatz. Denn ein zentraler Punkt der laufenden Diskussionen um die Künstliche Intelligenz im redaktionellen Alltag ist ja die Frage, in welchen Bereichen KI eingesetzt werden kann, und wo eher Gefahren und Risiken gesehen werden. Hier wurde erkennbar, dass bei den befragten Bildagenturen gegenüber dem Einsatz von KI-Tools in den meist als „kreativ“ betrachteten Bereichen wie der Bild- und Texterstellung große Bedenken bestehen – und diese Tools konsequenterweise auch seltener eingesetzt werden.
Aufgrund der aktuell stattfindenden Prozesse um den urheberrechtlichen Schutz künstlich generierter Bilder und die Frage der Rechtmäßigkeit des Einsatzes der verwendeten Trainingssätze birgt die Verwertung KI-generierter Bilder noch unkalkulierbare Risiken. Je nach Größe des eigenen Bildbestandes unterscheiden sich deshalb die Möglichkeiten von Einzelnen und Unternehmen, mit eigenen Bildern trainierte KI-Tools zur Bilderzeugung zu nutzen. Denn nur wenn sichergestellt werden kann, dass die erzeugten Bilder durch Tools generiert werden, für deren Trainingssets Nutzungsrechte wirksam übertragen wurden, können diese Bilder auch rechtssicher genutzt werden. Da sind die Möglichkeiten kleiner Agenturen, also aller Agenturen außer den global aktiven Big Playern, aber limitiert. Dazu kommt die Frage, ob KI-generierte Bilder im Anschluss überhaupt einen urheberrechtlichen Schutz genießen. Das hängt nämlich maßgeblich davon ab, ob die Erstellung der Bilder kontrollierbar war, oder die Bilder das Ergebnis eines rein technischen Prozesses sind, der von Menschen nicht final gesteuert werden konnte.
- Kann man zusammenfassend feststellen, in welchen Bereichen der Publikation, der Bildnutzung allgemein, der Schwerpunkt der Verwendung von KI-Bildern liegt?
Prof. Bauernschmitt: Dabei müssen wir unterscheiden zwischen werblichen und journalistischen Publikationen. Während in der Werbung publizierten Bildern regelmäßig kaum Glauben geschenkt wird, weil die dargestellten Situationen überzogen dargestellt werden, und einem Vergleich mit der persönlichen Lebenswirklichkeit kaum standhalten, kann die Veröffentlichung KI-generierter Bilder im Journalismus die Glaubwürdigkeit einer Publikation in Zweifel ziehen, wenn sie suggerieren, Wirklichkeit darzustellen. Denn wir müssen immer daran denken, dass Bilder in journalistischen Publikationen regelmäßig eingesetzt werden, um den Wahrheitsgehalt eines Textes zu belegen, und die kleinen und mittelgroßen deutschen Agenturen einen wichtigen Teil ihrer Erlöse durch diese redaktionellen Publikationen erzielen. Soweit die an der Erhebung beteiligten Agenturen überhaupt KI-generierte Bilder anbieten, geschieht das deshalb in Themenfeldern, deren Bilder regelmäßig in nicht dokumentarischer Absicht genutzt werden wie Art, Nature, Stock/Illustration oder Travel. Zu gesellschaftspolitischen Themenfeldern mit möglicherweise sozialer Brisanz wie History, News, Soziales und Politik, Wissenschaft, dagegen bieten die an der Erhebung beteiligten Agenturen aktuell kein Bildmaterial an.
- Darf ich einen vergleichenden Blick von Deutschland aus in die internationale Welt riskieren? Der Bestandsanteil bei jenen deutschen Agenturen, die KI-Motive anbieten, liegt gerade mal bei 1,8 Prozent des Gesamtbestandes. Wie etwa sieht das im Vergleich zu US-Agenturen aus? Alexander Karst von den Bildbeschaffern formulierte neulich die Zahl, bei Adobe Stock seien mittlerweile über 44 Prozent der Motive KI-generiert. Sehen auch Sie hier eine steigende Tendenz?
Prof. Bauernschmitt: Das ist nur auf den ersten Blick irritierend. Denn über die Möglichkeiten zum Einsatz der KI zur Bildgenerierung in den Bildagenturen, entscheidet die Größe des Bildbestandes. Dies muss bei der Betrachtung der Ergebnisse dieser Erhebung beachtet werden, wenn nur eine von 17 Agenturen KI zur Bilderstellung nutzt, und keine der an der Erhebung beteiligten Bildagenturen Kund:innen die Möglichkeit bietet, eigene Bilder mittels KI zu erzeugen. Denn ganz anders agieren jene Agenturen, die für sich allein über deutlich größere Bildbestände verfügen als alle an der Erhebung Beteiligten zusammen. Adobe, Getty Images und Shutterstock bieten Interessierten die Möglichkeit, Bilder mittels Texteingabe (Prompts) nach eigenen Vorstellungen zu generieren. Mit ihren Bildbeständen von 677,8 Mio (Adobe), 251,5 Mio (Getty) und 495,1 Mio Bildern (Shutterstock) verfügen alle drei Agenturen aber auch über ausreichende Ressourcen, um KI-Tools trainieren und mittels Künstlicher Intelligenz Bilder erzeugen zu können, ohne Ansprüche Dritter befürchten zu müssen. Ob diese Bilder danach aber urheberrechtlichen Schutz genießen können, wird dagegen erst in Zukunft geklärt werden. Dies erklärt vielleicht, weshalb der Anteil KI-generierter Bilder am Gesamtbildbestand der Agenturen, die überhaupt KI-generierte Bilder anbieten, mit 1,8 Prozent gering ist. Dabei beträgt der Anteil dieser Bilder am Umsatz dieser Agenturen 3,3 Prozent.
- Sehen Sie als Agentur- und Bildmarktkenner überhaupt noch eine Möglichkeit, das Bilder-Business künftig ohne künstlich generierte Bilder zu betreiben? Zur Ergänzung der Frage: Was würden Sie einer Agentur raten, die eben nicht in den Markt der KI-Motive einsteigen will?
Prof. Bauernschmitt: KI-Tools sind Teil des Alltags in den Bildagenturen geworden, werden die Arbeit immer stärker prägen und an Bedeutung gewinnen. In welchem Umfang und in welchen Feldern das jedoch geschieht hängt zum Teil auch von den Agenturen selbst ab. KI-Tools können administrative Vorgänge erleichtern und werden dazu genutzt werden. Anders sieht es bei der Erzeugung von Bildern mittels Künstlicher Intelligenz aus. Eine Betrachtung der sehr unterschiedlichen Dimensionen der Bildbestände führt zu der Frage, ob die Bestände der bildbestandsmäßig „kleinen“ Agenturen für das Training von KI-Tools zur Bilderzeugung überhaupt benötigt werden, und ob diese Agenturen deshalb überhaupt eigene KI-Bildbestände werden anbieten können. Bildagenturen, die noch nicht in den Handel mit Nutzungsrechten an KI-generierten Bildern eintreten wollen oder können, müssen überlegen, auf welchen Feldern sie zukünftig aktiv sein wollen. Eine Option dabei können authentische, dokumentarische Fotos sein. Fotos, die Wirklichkeit abbilden, in einer persönlichen Handschrift aufgenommen wurden und die Position des Fotografen oder der Fotografin erkennen lassen werden im Zeitalter „alternativer Fakten“ und „Fakenews“ an Bedeutung gewinnen. Die Glaubwürdigkeit der Urheberinnen und Urheber und das Vertrauen in die Lieferkette werden dort immer wichtiger, wo es darum geht, glaubwürdig Informationen zu vermitteln. Die an dieser Erhebung beteiligten Bildagenturen scheinen genau dies als Option zu sehen. Sie stehen KI-Tools grundsätzlich offen gegenüber, sehen deren Einsatz positiv und glauben gleichzeitig an eine wachsende Bedeutung authentischer Fotografie.
- Herr Prof. Bauernschmitt, vielen Dank für das Gespräch!
- Da Sie ja eine weitere Untersuchung in der Pipeline haben, in der es um die Bildkäuferseite von KI-Motiven geht, werden wir das Gespräch in einem weiteren Teil mit Blick auf diese Perspektive fortsetzen.