Wie wichtig ist KI im Bildmarkt?

  • Teil 2: KI und Bildpublizistik



    Die Chancen und Risiken des Einsatzes Künstlicher Intelligenz werden zum Teil ja sehr emotional diskutiert. Wie bewerten aber diejenigen, die täglich Bilder nutzen und publizieren, die Optionen der KI? Wie gehen diejenigen, die in Deutschland Bilder veröffentlichen, in ihrem bildredaktionellen Alltag damit um?

    In ihrem ersten Gespräch diskutierten Prof. Lars Bauernschmitt (Leiter der Arbeitsgruppe image market – business trends am Studiengang Visual Journalism and Documentary Photography der Hochschule Hannover) und Dr. Stefan Hartmann (Pictorial) Fragen rund um KI auf der Seite der Bildproduzenten- und Agenturseite. Aber Prof. Bauernschmitt hat parallel eine zweite Studie erstellt und in Zusammenarbeit mit der dpa-Tochter Picture-Alliance die Nutzerseite der Bilderbranche untersucht.

    Sein zweiter Bericht beschreibt die Ergebnisse einer im Februar 2025 unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Bildredaktionen von Zeitungen und Zeitschriften, PR- und Werbeagenturen sowie von Vereinen und Verbänden durchgeführten Erhebung bezogen auf Entwicklungen des Einsatzes Künstlicher Intelligenz im Bildbereich im Jahr 2024.

    Herr Prof. Bauernschmitt, auf der Seite der Bildanbieter hatten wir in Bezug auf die generative KI-Bildproduktion eine deutliche Zurückhaltung bemerkt. Der Anteil KI-generierter Bilder bei jenen deutschen Agenturen, die derartige Motive anbieten, liegt gerade mal bei 1,8 Prozent des Gesamtbestandes. Die analoge Frage: Wie sieht die Nachfrage aus?

    An unserer Erhebung beteiligten sich Kundinnen und Kunden der dpa Picture-Alliance aus allen Bereichen, in denen Bilder publiziert werden. Es beteiligten sich Bildeinkäuferinnen und -einkäufer aus PR, Werbung und Journalismus. Bei der Betrachtung unserer Erhebung zum Einsatz von KI-generierten Bildern sollte man das mitdenken. In PR, Werbung und Kunst geht es ja nicht primär darum, Fakten zu vermitteln und visualisierte Beweise für etwas zu liefern, sondern sehr oft eher darum, Träume, Gefühle oder Haltungen zu kommunizieren. Dort können gut auch KI-generierte Bilder eingesetzt werden. Im Journalismus sieht das anders aus. Da belegen Fotos regelmäßig die Richtigkeit des Geschriebenen. Das können KI-generierte Bilder nicht. Wir haben in unseren Auswertungen deshalb neben der Gesamtkohorte immer auch einen Blick auf die Gruppe der journalistischen Medien geworfen und in unserem Ergebnisbericht separat ausgewiesen. Bezogen auf alle Medien publizieren die an der Erhebung Beteiligten mit 48 Prozent KI-generierte Bilder nur dort signifikant häufig, wo symbolische Illustrationen gezeigt werden sollen. Zu gesellschaftspolitischen Themenfeldern mit möglicherweise sozialer Brisanz publizieren dagegen weniger als zwanzig Prozent der an der Erhebung beteiligten Medien KI-generiertes Bildmaterial, so im Bereich History 9,2 Prozent. Bei News sind es nur noch 6,1 Prozent. Soweit die an der Erhebung beteiligten journalistischen Medien überhaupt KI-generierte Bilder veröffentlichen, geschieht das vor allem dann, wenn das Thema Künstliche Intelligenz selbst visualisiert werden soll. Da sind es immerhin 50,0 Prozent der Befragten, die KI-generierte Bilder einsetzen. KI-generierte Bilder werden in Zeitungen, Zeitschriften und journalistischen Onlinemedien sonst nur in Themenfeldern eingesetzt, in denen mit symbolischen Illustrationen gearbeitet wird, hier sind es 38,9 Prozent. Ein Drittel der Befragten nutzt die Möglichkeit des Einsatzes KI-generierter Bilder dort, wo die behandelten Sachverhalte nur schwer oder gar nicht fotografierbar sind, wie im Bereich der Wissenschaft.

    An Ihrer Befragung beteiligten sich 227 Bildverwender, die für 727 Medien tätig sind. Sie alle sind Kunden der dpa Picture-Alliance. Damit haben Sie ja ein relativ weites Feld an unterschiedlichen Bildnutzern abgedeckt, eine deutlich weitgefasste heterogene Gruppe, die Vergleiche ermöglicht. In welchen Segmenten der Publizistik werden KI-generierte Motive am meisten nachgefragt und eingesetzt? Wo sind da die Peaks?

    Interessanterweise gibt es zwischen den Bereichen gar nicht so große Unterschiede bezüglich des Einsatzes von KI-generierten Bildern. Erwartungsgemäß planen mit 53,8 Prozent die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter journalistischer Publikationen keinen Einsatz KI-generierter Bilder. Im Bereich der Werbung sind das aber immerhin auch noch 41,1 Prozent.

    Und wo herrscht der höchste Grad an Skepsis gegenüber diesen Bildern? Man mag sich intuitiv vorstellen, dass dies der journalistisch-bilddokumentarische Bereich ist. Spiegeln Ihre Zahlen das wider?

    Ich habe das Gefühl, dass die Begeisterung für KI-generierte Bilder sich in allen Bereichen noch in Grenzen hält. Natürlich sind die Möglichkeiten generativer KI faszinierend, die Diskussion um Fake-Bilder und die offensichtlichen Fehler in den KI-generierten Bildern machen es aber im Moment nicht möglich, sofort die meisten Fotos durch KI-generierte Bilder zu ersetzen. Wenn KI-generierte Bilder eingesetzt werden sollen, planen die Befragten das vor allem dort, wo sonst Stockbilder verwendet werden, oder eben das Thema Künstliche Intelligenz visualisiert werden soll. Wenn man also nach Begeisterung fragt, muss man das eher bezogen auf die behandelten Themen als die Veröffentlichungszwecke tun.

    Verlassen wir kurz die Gegenwart, sprechen wir über die Zukunftsprognosen der Bildkäufer: Ein Teil der Redakteure, die heute keine KI-Motive einsetzen, könnte sich das aber für die Zukunft vorstellen. Bedeutet das: heute noch keine KI, aber bald?

    Das kommt darauf an, in welcher Funktion Bilder publiziert werden. Wo Bilder im Journalismus als Beweise für die Richtigkeit einer Information oder einer Meldung funktionieren, haben KI-generierte Bilder weder heute noch in Zukunft etwas zu suchen. Da aber, wo im Moment noch Stockfotos gezeigt werden, ist damit zu rechnen, dass immer öfter KI-generierte Bilder veröffentlicht werden.

    Es gibt ja zwei Möglichkeiten, an KI-Bilder für die Publikation zu kommen: Kaufen oder einfach selber machen! Haben Sie Informationen darüber, wie das mengenmäßige Verhältnis von lizenzierten, fertig bezogenen Motiven zu „Eigenkreationen“ der Medien ist? Könnte sich diese Relation künftig deutlich in Richtung Do-it-yourself verschieben?

    Wir denken, dass das Vertrauen in KI-Tools erst noch wachsen muss. Es ist so, dass mit 53,8 Prozent etwas mehr als die Hälfte der Befragten den zukünftigen Einsatz KI-generierter Bilder noch ablehnt. Stärker ausgeprägt ist diese Haltung bei den Befragten, die ausschließlich für journalistische Medien arbeiten, von denen zwei Drittel nicht planen, zukünftig KI-generierte Bilder zu nutzen. Obwohl eine knappe Mehrheit aller Befragten nicht plant, KI-generierte Bilder zu nutzen, denken 51,3 Prozent, also eine fast genauso große Gruppe der Befragten daran, zukünftig selbst Bilder mittels KI zu generieren. Anders sehen das die Befragten, die für eine journalistische Publikation tätig sind. Sie planen das mit 58,7 Prozent mehrheitlich nicht. Es scheint, dass die Befragten, wenn sie denn darüber nachdenken, KI-generierte Bilder einzusetzen, wissen wollen, wie und unter welchen Umständen diese erstellt wurden.

    Unabhängig davon stellt sich aber die Frage, ob das Selbergenerieren von Fotos wirtschaftlich ist. Wer einmal versucht hat, mittels eines KI-Tools ein Bild zu generieren, das auch nur halbwegs den eigenen Vorstellungen entspricht, weiß, wie schwer das ist und wie lange das dauert. Da sollte man immer überlegen, ob es nicht billiger ist, ein Bild in einer Agentur zu bestellen, statt es selber zu generieren. Das vor allem vor dem Hintergrund eines wachsenden Zeitdrucks in Redaktionen und Werbeagenturen.

    Besonders pfiffig fand ich Ihre Frage 2.2 an die Bildredakteure: „Haben Sie oder die Publikation(en), für die Sie antworten, schon einmal unbeabsichtigt KI-generierte Bilder veröffentlicht?“ Was kam dabei heraus? Erröten?

    Unsere Erhebung zeigt eine große Zurückhaltung bezüglich des Einsatzes KI-generierter Bilder bei den für die Bildauswahl Verantwortlichen. Auch wenn es zwischen den Bereichen Journalismus, Public Relations, Werbung mehr oder weniger große Unterschiede in der Bereitschaft gibt, KI-generierte Bilder einzusetzen, sehen wir keinen Bereich, wo nach Meinung der Befragten absehbar weit überwiegend KI-generierte Bilder publiziert werden sollen. Gleichzeitig wissen wir aber, dass viele Kreative mit der Technik experimentieren und entsprechende Bilder anbieten. Wir müssen aber immer bedenken, dass es zurzeit keine allgemein definierten und zwischen den Beteiligten vereinbarten Regeln für die Kennzeichnung dieser Bilder gibt – deshalb sind die KI-generierten Bilder bei der Recherche nicht immer sicher zu identifizieren. Ich kann zwar KI-generierte Bilder suchen, es ist aber nicht immer möglich, sie bei der Suche auszuschließen, wenn sie nicht entsprechend gekennzeichnet sind. Deshalb kann es passieren, dass KI-generierte Bilder einfach durchrutschen, vor allem, wenn es im Alltag hektisch ist und kurz vor Redaktionsschluss noch schnell ein Bild gesucht wird. Tatsächlich aber gab es einen konkreten Aufhänger für die Frage, denn ich hatte zufällig von solch einer Veröffentlichung in der F.A.Z. erfahren.

    In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschien am 7. April 2024 in einem Beitrag über die Asiatische Tigermücke ein KI-generiertes Bild, das ein Tier zeigte, dass zwar einige Ähnlichkeiten mit einer Tigermücke aufwies, aber eben keine war. Wer sich mit der Tigermücke etwas auskennt, hat auch sofort die ganzen Fehler in dem Bild erkannt. Heinz Krimmer, der sich sowohl im Bildermarkt als auch in der Biologie auskennt, hat mich auf folgende Fehler hingewiesen: So ist der Stechrüssel zu dick, die Haltung der hinteren Beine falsch, denn sie sind beim Stechen in die Luft gerichtet, außerdem sind die Beine der KI-Mücke nahezu einfarbig schwarz, während die schwarzen Beine von Stechmücken in der Natur über mehrere weiße Ringe verfügen. Daneben sind die Haare auf den Fühlern der KI-Stechmücke zu dick. Darüber hinaus besitzt die KI-Stechmücke am Kopf ein Horn, das bei Stechmücken in der Natur nicht vorzufinden ist. Die Frankfurter Allgemeine leistet sich eine sehr gute und sorgfältig arbeitende Bildredaktion, und trotzdem erschien das Bild – das in dem Beitrag nie hätte veröffentlicht werden sollen. Es war einfach eine Unachtsamkeit, die auch in allen anderen Medien genauso immer wieder passieren kann, solange es keine definierten Felder zur Kennzeichnung KI-generierter Bilder gibt, die dann auch ausgefüllt und ausgelesen werden. Solange die Kennzeichnung KI-generierter Bilder ein Suchspiel ist, kann und wird so etwas passieren.


    ABBILDUNG:
    F-A-S 07.04.2024


    Bezogen auf alle Medien gab die große Mehrheit der Teilnehmenden, genau waren es 81,4 Prozent an, bisher nicht unbeabsichtigt KI-generierte Bilder veröffentlicht zu haben. Etwas größer ist diese Zahl sogar noch bezogen nur auf journalistische Publikationen, wo der Anteil bei 84,4 Prozent lag. Hoffen wir mal, dass die Zahl stimmt und tatsächlich so selten ungewollt KI-generierte Bilder durch die Kontrollen rutschen.

    Wer braucht überhaupt KI-generierte Bilder? Wo kann der Einsatz sinnvoll sein? Und wo sind diese Bilder vielleicht sogar eine Gefahr?

    Wenn wir noch einmal auf die Tigermücke sehen, stellt sich die Frage, wozu dieses Bild überhaupt erstellt wurde. Es gibt das Tier und man kann es, wenn auch unter Schwierigkeiten fotografieren. Wenn ich also zeigen will, wie das Tier aussieht, muss ich eine Fotografie veröffentlichen. Dasselbe gilt für historische Ereignisse. Es kann nicht sein, dass unser Bild von der Geschichte manipuliert wird, durch Bilder, die scheinbar Dokumente sind, in Wirklichkeit aber frei erfunden und am Rechner entstanden sind, oder sogar bewusst Situationen oder Sachverhalte manipulieren. Auf der anderen Seite gibt es Themen, die journalistisch behandelt werden, aber nicht fotografiert wurden, vielleicht auch, weil sie nicht fotografiert werden sollten. Hier KI-generierte Bilder einzusetzen, die den Inhalt visualisieren und erkennbar nicht fotografiert sind, finde ich sinnvoll. Das geht dann unter Umständen in den Bereich der Graphic Novel, wäre aus meiner Sicht jedoch eine wünschenswerte Ausweitung des Spektrums der im Journalismus publizierten Bildsprachen. Diese Art Illustrationen sind aus meiner Sicht auf jeden Fall besser als die immer wieder auch in Zeitungen, Zeitschriften und Onlinemedien veröffentlichten Stockbilder – die zwar fotografiert sind, mit der Wirklichkeit aber wenig zu tun haben – und oft optisch auch nicht wirklich spannend sind.

    Bisher haben wir ja weitgehend nur über das – in meinen Augen eben interessantere - Feld der kreierten, KI-erzeugten Bilder gesprochen. Aber der Aspekt der Bildgeneration ist ja nur ein Teil des Einsatzes von künstlicher Intelligenz in den Unternehmen. Wie sieht es mit der Nutzung von KI-Tools in anderen Bereichen aus? In der Redaktion, der Bildbearbeitung, der Dokumentation? Hat die künstliche Intelligenz da bereits breiteren Einzug gehalten?

    Ja. KI-Tools sind in Redaktionen, Verlagen und Werbeagenturen angekommen. Lediglich ein Viertel um genau zu sein 25,1 Prozent der Befragten nutzt keine KI-Tools. Befragte, die KI-Tools verwenden, nutzen im Schnitt 2,7 Werkzeuge. Unter denjenigen, die in journalistischen Publikationen tätig sind waren das mit 2,4 nur geringfügig weniger. Mit 48,0 Prozent setzt aber fast die Hälfte entsprechende Werkzeuge zur Bildbearbeitung ein. 29,6 Prozent der Befragten nutzt KI-Tools zur Recherche, 28,3 Prozent zur redaktionellen Texterstellung und 26,5 Prozent zur Generation von Bildern. Für den Kundensupport und die Generierung von Bildern durch Kundinnen und Kunden spielen KI-Tools mit nur 1,8 Prozent dagegen keine große Rolle. So wie wir das sehen, werden diese Tools eingesetzt, um Abläufe zu vereinfachen, und dort wo die Ergebnisse kontrolliert und korrigiert werden können, wenn sie sich als fehlerhaft erweisen.

    Da wir hier ja nicht über die gesamte Fülle der Fragen und Antworten reden können: Wird Ihre Studie veröffentlicht werden und frei zugänglich sein?

    Die Picture-Alliance gestaltet die Studienergebnisse gerade optisch etwas ansprechender als ich das immer tue (lacht) und wird sie dann allen Interessierten zur Verfügung stellen. An der Stelle noch einmal mein Dank an Andreas Genz, der diese wichtige Untersuchung ermöglicht hat.

    Und wie geht es jetzt weiter? Sind nun alle Fragen geklärt? Wissen wir endlich alles über den Bildermarkt?

    Das auf gar keinen Fall. Wir leben in einer extrem spannenden Zeit und erleben ständig Veränderungen, die wir dokumentieren und untersuchen müssen. Journalismus im Allgemeinen und Bildjournalismus im Speziellen sind viel zu wichtig, um sie nicht ständig zu betrachten und die Entwicklungen zu beschreiben. Wir werden deshalb auf jeden Fall weitermachen mit unseren Untersuchungen, würden uns aber natürlich freuen, wenn es hier zu einer noch engeren Zusammenarbeit insbesondere mit den Interessenvertretungen der Bildjournalistinnen und Bildjournalisten käme, um auch endlich einmal wieder die Situation der Fotografinnen und Fotografen in einer Zeit des Strukturwandels zu untersuchen.

    Vielen Dank. Dann werden wir die Reihe unserer Gespräche ja vermutlich fortsetzen.

    Das hoffe ich. Auch Ihnen herzlichen Dank.


    Bild: Lars Bauernschmitt präsentiert seine Studie auf dem PictaDay, dpa Picture-Alliance

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